In einem zunehmend digitalen und vernetzten Bildungssystem spielen Daten eine zentrale Rolle – vom Schulzimmer über die Bildungsverwaltung und Schulorganisation bis hin zur Bildungspolitik und -steuerung. Daten sind Grundlage wichtiger Entscheidungen, eröffnen neue Möglichkeiten für personalisierte Bildungsangebote und liefern wichtige Erkenntnisse zum Zustand des Bildungssystems. Für den verantwortungsvollen, bewussten und selbstbestimmten Umgang mit diesen Daten, die sichere und datenschutzkonforme Nutzung datengestützter Technologien sowie für das Ausschöpfen der Möglichkeiten der Datennutzung im Bildungswesen sind zwei Dinge zentral:

  • Datenkompetenz: Sie umfasst die Fähigkeiten, Daten unter Einhaltung datenethischer Grundsätze und des Datenschutzes auf kritisch-reflexive Weise in ihrem jeweiligen Kontext zu sammeln, zu verwalten, zu bewerten und zu verwenden. Dem Bildungssystem kommt dabei eine wichtige Doppelrolle zu, muss es doch einerseits selbst über Datenkompetenz verfügen, diese aber andererseits auch Schülerinnen und Schülern vermitteln.
  • Datenkultur: Sie umfasst das Bewusstsein für die Bedeutung von Daten als strategische Ressource, die Kompetenz, Daten zu analysieren und verantwortungsvoll zu nutzen, sowie die Etablierung einer datengestützten Entscheidfindung.

Mehr Datenkompetenz und Datenkultur notwendig

Das Bildungssystem tut sich schwer, bei der Datenkompetenz und der Datenkultur flächendeckend mit dem raschen Fortschreiten der Digitalisierung mitzuhalten. Schulen und Bildungsverwaltungen sehen sich oft mit komplexen Daten- und insbesondere Datenschutzfragen konfrontiert, was zu verbreiteter Unsicherheit und Zurückhaltung bei der Datennutzung führt.

Die Beantwortung dieser Daten- und Datenschutzfragen erfordert Zusammenarbeit und Koordination zwischen Abteilungen und föderalen Ebenen. In Bezug auf die Datenthematik findet dies jedoch nur unzureichend statt – unter anderem aufgrund von Pfadabhängigkeiten bei etablierten Prozessen und Strukturen. Zudem fehlen flächendeckende Aus- und Weiterbildungsinitiativen für Lehrpersonen, Schulleitende und weitere Personen, die eine Schlüsselfunktion im Umgang mit Daten im Schulbetrieb ausüben, beziehungsweise in Zukunft ausüben könnten. Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, Massnahmen zur Förderung der Datenkompetenz und zur Etablierung einer gelebten Datenkultur umzusetzen.

Schaffung neuer Schlüsselfunktionen

Damit Schulen und Bildungsverwaltungen Datenthemen vollumfänglich bearbeiten können, sollten an verschiedenen Stellen im Bildungssystem neue Schlüsselfunktionen geschaffen werden. Auf Ebene der Schulen sind es «Data Stewards», die künftig die notwendige Fachexpertise bereitstellen. Durch sie können Datenthemen im Unterrichtsalltag aus pädagogischer, technischer und rechtlicher Sicht kompetent bearbeitet und der anwendungsorientierte Kompetenzaufbau gefördert werden. Die Aufgaben des «Data Stewards» können in bestehende Rollen (z.B. pädagogischer ICT-Support oder personne ressource) integriert werden, indem diesen Rollen zusätzlich ein stärkerer Fokus auf Datenkompetenzen verliehen wird. Denkbar wäre aber auch eine neue, schweizweit anerkannte und harmonisierte Rolle eines «Data Stewards», der Schulen in Belangen der Datenkompetenz unterstützt.

Zusätzlich sollten auf Ebene Schule die Schulleitenden stärker mit Grundkenntnissen in den Bereichen Datenmanagement, Datenschutz, Informationssicherheit sowie Datenanalyse ausgestattet werden. Diese Kompetenzen erlauben einerseits einen datenschutzkonformen und sicheren Umgang mit Daten im Schulbetrieb und ermöglichen andererseits die Durchführung systematischer Datenanalysen für die Schulentwicklung. Für eine schweizweite Harmonisierung sind die genannten Kompetenzen ins «Profil für Zusatzausbildungen Schulleitung» der EDK aufzunehmen.

Mit Blick auf die Bildungsverwaltung ist die strategische Schlüsselrolle des «Lead Data Stewards» zu prüfen. Diese Rolle an der Schnittstelle zwischen kantonaler Datenstrategie und Data Governance ist entscheidend, um Daten für die Bildung mehrwertgenerierend nutzen und gleichzeitig deren Qualität, Sicherheit und Regelkonformität gewährleisten zu können.

Etablieren von Hilfsmitteln

Schulen sollten zur Förderung des praxisorientierten Datenkompetenzaufbaus auch verstärkt durch niederschwellige – idealerweise interkantonal harmonisierte – Hilfsmittel unterstützt werden. Besonders nützlich sind dabei konkrete Anleitungen (als Webapplikation), die bei Bedarf auch auf die zuständigen kantonalen Anlaufstellen oder weitere Kompetenzstellen verweisen.

Denkbar sind erstens Hilfsmittel zur Selbstevaluation der Datenkompetenzen an Schulen. Letztere können damit ihren eigenen Reifegrad bezüglich Datenkompetenzen ermitteln. Besteht Handlungsbedarf, können gezielte Vorschläge für Massnahmen zur Verbesserung der organisationalen Datenkompetenz umgesetzt werden. Zweitens können Applikationschecklisten bei der Durchführung von Applikationsprüfungen helfen. Drittens wäre ein praxisbezogenes Weiterbildungsangebot bereitzustellen – z.B. über bestehende Kompetenzzentren beim Bundesamt für Statistik oder an pädagogischen Hochschulen. Mit diesen Weiterbildungsangeboten soll Schulleitenden, Lehrpersonen und weiteren Personen aus dem Schulumfeld (wie z.B. Qualitätsmanagement-Verantwortliche) der Mehrwert von systematischen Datenanalysen aufgezeigt und mögliche Prozesse der datengestützten Schulentwicklung praxisbezogen vermittelt werden.

Datenkompetenzen systematisch monitoren

Datenkompetenzen von Schülerinnen und Schülern sollten systematischer erhoben werden. Denkbar wäre ein Monitoring ähnlich zu dem Monitoring der Grundkompetenzen. Alternativ würde eine Teilnahme an der ICILS zusätzlich eine internationale Vergleichbarkeit herstellen.

Sensibilisierung und föderales Lernen

Schliesslich braucht es zur Förderung von Datenkompetenz und Datennutzung regelmässige Sensibilisierungsmassnahmen in den Schulen – und zwar für alle von der Schulverwaltung über die Lehrpersonen bis hin zu den Schülerinnen und Schülern und deren Erziehungsberechtigte. Dadurch wird einerseits erreicht, dass alle erwachsenen Akteure in der Lage sind, die Kinder bei Datenfragen zu unterstützen. Andererseits kann so ein transparenter Umgang beim Einsatz datengestützter Applikationen sichergestellt werden. Die Durchführung dieser Sensibilisierungsmassnahmen läge dabei in der gemeinsamen Verantwortung der «Lead Data Stewards» beim Kanton, der Schulleitungen sowie den «Data Stewards» an den Schulen.

Ganz grundsätzlich sollte die Zusammenarbeit in Bezug auf Datenkompetenz und Datennutzung intensiviert werden, um von- und miteinander zu lernen. Im Rahmen einer «Community of Practice» aus Vertreterinnen und Vertretern der Bildungsverwaltung und Schulorganisation soll der Wissensaustausch, die Innovation, die Vernetzung und die organisatorische Entwicklung hinsichtlich Datenkompetenz und Datennutzung durch föderales Lernen gefördert werden. 

Gelebte Datennutzung im Bildungsraum

Werden die obenstehenden Massnahmen umgesetzt, kann das Bewusstsein und Verständnis für einen informierten, sicheren und selbstbestimmten Umgang mit Daten sowohl bei der Schulverwaltung, den Lehrpersonen als auch bei den Schülerinnen und Schülern gestärkt werden. Die Förderung von Datenkompetenz und Datennutzung ist dabei der erste Schritt hin zu einer flächendeckend gelebten Datennutzung im Bildungsraum Schweiz. 

 

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