Der Einzug von KI in die Schulen hat Auswirkungen auf die Praktiken der Lehrpersonen, die unterschiedlich auf die neue Technologie reagieren. KI stellt das Modell der Lehrerin oder des Lehrers als Wissensträger noch weiter in Frage. Wie wird KI  den Lehrberuf verändern? Welche Fähigkeiten  benötigen die Schülerinnen und Schüler? Was muss in Bezug auf Daten beachtet werden? Nelly Buchser diskutiert diese und andere Fragen auf Französisch mit Micha Hersch, Professor für Informatikdidaktik an der HEP Vaud und Informatiklehrer am Gymnasium Renens.

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Zusammenfassung des Podcasts

Micha Hersch unterscheidet bei der Reaktion durch Lehrpersonen auf KI drei Kategorien: Jene, die ein sehr mächtiges neues Werkzeug sehen und sich fragen, wie es den Unterricht bereichern oder die Lernenden beim Erwerb von Fähigkeiten unterstützen kann. Andere, die sich um die Motivation fürs Lernen sorgen und Betrügereien befürchten, z.B. bei Arbeiten mit ChatGPT. Sie fragen sich: Wie können wir den Unterricht diesen Rahmenbedingungen anpassen? Schliesslich jene, die sich Gedanken zum Sinn des Lehrberufs machen und sich grundsätzlich fragen, welcher Stoff und welche Kompetenzen im KI-Zeitalter überhaupt noch nötig seien.

Er nennt Beispiele konkreten Nutzens für Schülerinnen und Schüler. Ein Textgenerator sei ein wirksames Mittel gegen die Angst vor dem leeren Blatt. Textvorschläge liefern eine Grundlage zum Starten, und im Austausch mit dem Sprachmodell kämen Vergleichs- und Korrekturoptionen zustande. Ein solches Tool setzt die HEP Vaud im Lateinunterricht ein. Der Einsatz als erweiterte Suchmaschine und viele weitere Beispiele zeigen, wie breit gefächert und vielfältig die Möglichkeiten sind.

Bei den Risiken sieht Micha Hersch vorab die pädagogischen KI-Systeme, die personalisierte Lernwege vorschlagen. Die pädagogischen Konzepte, die diesen Systemen zugrunde liegen, sähen Schülerinnen und Schüler als ein Gehirn, das gefüllt werden müsse. Die kollektive und soziale Dimension des Lernens werde vernachlässigt, die Lernerfahrung drohe zu verarmen. Mit Blick auf die Daten hänge alles davon ab, wie KI-Systeme entwickelt und implementiert werden. Er nennt die Gefahr eines gross angelegten Überwachungssystems, in dem Lern- und Leistungsdaten für die soziale Kontrolle mobilisiert werden könnten. Dies wäre eine Bedrohung für die Privatsphäre und die Freiheit der Schülerinnen und Schüler.

Unser Podcast-Gast geht schliesslich auf die notwendigen Anforderungen in einer «KI-Welt» ein. Schülerinnen und Schüler müssen wissen, wie Daten entstehen, dass Fehler zwangsläufig sind, dass Verzerrungen reproduziert oder sogar verstärkt werden und dass mit einem technischen System kein relationaler Austauschs, wie mit einem Menschen zustande kommt. Heutige KI-Systeme seien zudem nicht transparent: Wir wissen nicht, wie sie zu ihren Ergebnissen kommen. Dies alles können Jugendliche lernen, indem sie auf Plattformen ihre eigenen KIs mit Daten trainieren, mit Fehlern und Verzerrungen experimentieren. Den Unterricht sieht er als Ort fürs Kultivieren einer kritischen Haltung gegenüber KI. Die Gefahr digitaler Abhängigkeiten oder Skandale wie jener um Clearview böten Stoff fürs Debattieren.

Micha Hersch ist überzeugt, dass die Hauptaufgabe der Schule erhalten bleibt und an Bedeutung gewinnen wird: Die Komplexität der Welt vermitteln. Hingegen müsse man sich der Frage stellen, ob und wie einzelne Kompetenzen an Maschinen delegiert werden können. Das werde unsere Gesellschaft zwingen, ihre Erwartungen an die Schule zu klären: Soll sie "Kompetenzen produzieren" oder die Menschen zur Selbstbestimmung befähigen?

Er schliesst mit der Überzeugung, dass keine KI je die soziale und kollektive Rolle der Schule ersetzen werde: «Das unterschätzen viele Menschen, die Schulprogramme gestalten». 

 

Der Einsatz von KI-Systemen im Bildungsbereich wird auf unserer (ausgebuchten) Fachtagung am 18. September 2024 in Bern thematisiert.

Fachtagung

Educa24: Daten als Grundlage für KI-Systeme

Unsere nächste Fachtagung wagt den Blick hinter die Kulisse von KI-Systemen. Dabei wird die zentrale Rolle von (Bildungs-)Daten bei der Nutzung solcher Systeme näher beleuchtet. Expertinnen und Experten geben einen Einblick in die Thematik, die in Kleingruppen auf praktische und nicht-technische Weise vertieft werden.

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